Wednesday, November 25, 2015

Der Himmel: Das Schönste kommt noch – Teil 2

(Geschrieben von Roger Liebi)
Der Brandopferaltar und sein Dienst. Der Apostel Johannes betritt sofort das Allerheiligste, das Kerngebiet des Himmels. Auf unserer Reise beginnen wir jedoch der Reihe nach, und zwar im Vorhof, im «Lager der Schechina», wie die rabbinische Literatur den innersten Vorhof nennt. Dort steht der Brandopferaltar: «Und als es (das Lamm Gottes; d. Autor) das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die geschlachtet worden waren um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, das sie hatten. Und sie riefen mit lauter Stimme und sprachen: Bis wann, o Herrscher, der du heilig und wahrhaftig bist, richtest und rächst du nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen? Und es wurde ihnen einem jeden ein weisses Gewand gegeben; und es wurde ihnen gesagt, dass sie noch eine kleine Zeit ruhen sollten, bis auch ihre Mitknechte und ihre Brüder vollendet sein würden, die ebenso wie sie getötet werden würden» (Offb 6,9-11). Johannes sieht im Himmel das Lamm Gottes, das würdig ist, das Buch der Ratschlüsse Gottes mit den sieben Siegeln zu öffnen.


Wir sollten nicht aus den Augen verlieren, dass die Geschehnisse im Himmel sich zur gleichen Zeit abspielen wie die künftigen schrecklichen Gerichte über die Erde. Die Offenbarung beschreibt einen Krieg des himmlischen Tempels gegen eine Menschheit, die sich im Sumpf der Sünde noch selber gefällt. Dieses biblische Buch schildert einen Krieg Gottes gegen das Böse, einen Krieg des himmlischen Heiligtums gegen eine Menschheit, die das Opfer Christi abgelehnt hat. Der Tempel im Himmel ist im Grunde genommen der Ort der Versöhnung und des stellvertretenden Opfers. Aber wenn die Menschheit dieses Opfer ablehnt, kommt das Gericht, und so wird alles, was im Himmel eigentlich von Heil und von Versöhnung spricht, für die Bewohner der Erde zum Fluch.

Wir haben gelesen, wie Johannes im Himmel den Brandopferaltar sieht und die Seelen am Fuss des Altars. Das Blut ist der Inbegriff des Lebens, denn es heisst in 3. Mose 17: «Die Seele alles Fleisches ist im Blut.» Das Blut der Opfertiere wurde zur Zeit des Zweiten Tempels an den Fuss des Altars gegossen, in zwei spezielle Löcher hinein, die sich nahe der Südwestecke desselben befanden. Ausgerechnet an dieser Stelle sieht Johannes die Seelen der Entschlafenen, dort, wo das Blut der Opfer hineinfloss. Diese Seelen sind bei vollem Bewusstsein, obwohl es sich hier um Märtyrer im Himmel handelt. Sie können sprechen, und sie reden von Rache. Es ist offensichtlich, dass wir uns hier bereits in der Zeit nach der Entrückung befinden. Heute leben wir noch in der Zeit der Gnade, aber nach der Entrückung ist die Zeit des Gerichts, und dann werden diese Märtyrer um Rache bitten. Johannes sieht sie am Altar, und es werden ihnen Priestergewänder gereicht, weil sie dort noch eine Zeitlang warten müssen. Es handelt sich bei diesen Seelen um Menschen, die nach der Entrückung bereit sein werden, alles zu geben für den Herrn Jesus und sogar das Martyrium zu erleiden. Aber was sollen uns diese himmlischen Tatsachen lehren? Der Altar redet davon, dass der Herr Jesus alles für uns gegeben hat. Die Seelen am Fuss des Altars sind demnach Menschen, die sich sagen: «Wenn unser Erlöser alles geben kann, dann sind wir auch bereit, alles zu geben.» Wenn wir nicht das Martyrium erleiden müssen, sollte für uns wenigstens das Motto aus 2. Korinther 5 gelten: «Denn die Liebe des Christus drängt uns, indem wir also geurteilt haben, dass einer für alle gestorben ist und somit alle gestorben sind. Und er ist für alle gestorben, auf dass die, welche leben, nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und ist auferweckt worden» (V.14-15). Nicht mehr für sich selbst leben, sondern für Christus! Der Altar im Himmel spricht davon, dass der Herr Jesus bereit war, als Opfer alles zu geben.


In der Offenbarung ist übrigens in Verbindung mit dem Altar auch von sieben goldenen Schalen die Rede. Damit sind Opferschalen gemeint, wie man sie im Tempel benutzte. Diese Geräte liefen nach unten spitz zu, weil die Priester sie nicht abstellen durften. Sie mussten mit einer Opferschale das Blut auffangen, um es zum Altar zu bringen. Dieses Opferblut durften sie nicht absetzen, und deshalb hatten die Opferschalen diese eigentümliche Form. Aber was geschieht in Offenbarung 16 in Verbindung mit diesen sieben Schalen? «Und der zweite goss seine Schale aus auf das Meer; und es wurde zu Blut wie von einem Toten, und jede lebendige Seele starb, alles was in dem Meere war. Und der dritte goss seine Schale aus auf die Ströme und auf die Wasserquellen, und sie wurden zu Blut» (V 3-4). Die Opferschalen, die eigentlich von Versöhnung sprechen, werden für die Welt zum Gericht! Hier gilt wieder das Prinzip: Wer Jesus als Opfer nicht annimmt oder sogar ablehnt, für den bleibt nur noch, dass er selbst zum Schlachtopfer wird.

Wenn in der Offenbarung von den sieben Posaunen gesprochen wird, so wird auch mit diesem Sprachgebrauch eine Verbindung zum Altar hergestellt, denn beim Morgen- und Abendbrandopfer wurden täglich sieben Posaunen geblasen. Auch das können Sie nachlesen im Babylonischen Talmud, Traktat Sukkah 53b. Die sieben Posaunen stehen in Verbindung mit dem stellvertretenden Opfer im Tempel, aber in der Offenbarung werden sie zu Signalen des Gerichts für diejenigen, die dieses Opfer nicht annehmen wollten. Wenn man die Texte in der Offenbarung unter diesem Blickwinkel liest, bekommen sie ein ganz anderes Profil. Wir sehen letztlich, dass die Offenbarung ein «Tempelbuch» ist, denn der Tempel charakterisiert den Himmel. Daraus könnten wir auch schliessen, dass der Himmel sehr «jüdisch» ist. Diese Tatsache wird wahrscheinlich viele Christen überraschen, wenn sie in den Himmel kommen. Aber wir könnten es auch anders formulieren: Das Judentum ist letztendlich überaus «christlich» denn sein Gotteshaus ist eine Kopie des Originals im Himmel, der Heimat der Christen (Phil 3,20).

Das Waschbecken und der levitische Gesang. Auf unserem Gang durch den dritten Himmel sind wir mittlerweile beim Waschbecken angelangt: «Und ich sah wie ein gläsernes Meer, mit Feuer gemischt, und die Überwinder über das Tier und über sein Bild und über die Zahl seines Namens an dem gläsernen Meere stehen, und sie hatten Harfen Gottes. Und sie singen das Lied Moses’, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes und sagen: Gross und wunderbar sind deine Werke, Herr, Gott, Allmächtiger! gerecht und wahrhaftig deine Wege, o König der Nationen! Wer sollte nicht dich, Herr, fürchten, und deinen Namen verherrlichen? denn du allein bist heilig; denn alle Nationen werden kommen und vor dir anbeten, denn deine gerechten Taten sind offenbar geworden» (Offb 15,2-4). Es gibt im himmlischen Tempel keinen Ozean. Der Ausdruck «Meer» ist in 1. Könige 7,23 die Bezeichnung für das «eherne Meer», das grosse Waschbecken im Vorhof des Tempels. Auch im Mittelhebräischen wird dieser Ausdruck benutzt für ein Sammelbecken, zum Beispiel für Mehl. Das Meer bezeichnet hier das Waschbecken. Aber warum steht hier «wie ein gläsernes Meer, mit Feuer gemischt»? Schon in der Stiftshütte und auch später im Tempel Salomos war das Waschbecken aus Bronze, einer Kupferlegierung. Wenn die Bronze besonders schön bearbeitet wird, dann wirkt sie wie ein Spiegel. Damals zur Zeit des Mose gaben die Frauen ihre Bronzespiegel ab, damit man daraus das Waschbecken herstellen konnte (2.Mo 38,8). Das himmlische Urbild dieses Waschbeckens ist so perfekt, dass es aussieht wie Glas. «Mit Feuer gemischt» – was bedeutet das? Wenn das himmlische Licht sich in der fein gearbeiteten Bronze dieses Waschbeckens spiegelt, dann ergibt sich ein Wechselspiel von Schatten und Licht, das an das Züngeln des Feuers erinnert.

Beim Waschbecken vor dem Tempelhaus sieht Johannes die Überwinder über das Tier bzw. den kommenden Diktator, über sein Bild und über die Zahl seines Namens, also den Götzendienst, in den der Antichrist die Menschheit stürzen wird. Nach der Entrückung, wenn der Antichrist ein neues Zahlungssystem einführt, wird man bei den Bewohnern der Erde an der rechten Hand oder auf der Stirn einen Code anbringen. Die darin enthaltene Zahl 666 soll Folgendes zum Ausdruck bringen: «Ich bin bereit, diesen Diktator, das Tier aus dem Meer, als Gott zu verehren.» Diejenigen, die das nicht akzeptieren werden, werden keinen Code erhalten. Aber es wird zu der Zeit kein Bargeld mehr geben, und so wird man nur noch mit dem Code bezahlen können. Was geschieht jedoch, wenn man nichts mehr kaufen oder verkaufen kann? Was soll man dann noch tun? Beten! Es wird eine prekäre Situation eintreten, in der man nur noch beten kann: «Unser tägliches Brot gib uns heute!» Was bedeutet es heute, wenn wir dieses Gebet sprechen, aber im Kühlschrank schon die Vorräte für die nächsten zwei Wochen liegen? Die Lage der Menschen nach der Entrückung wird so prekär sein, dass diese Bitte eine neue Bedeutung erhalten wird. Übrigens kommt das Wort «prekär» von dem lateinischen Verb «precari», das übersetzt «beten» heisst. Die Menschen am Waschbecken im Vorhof des himmlischen Tempels kommen aus einer prekären Lage in den Himmel, und zwar durch das Martyrium. Sie haben Harfen Gottes, treten also als levitische Musiker und Sänger im Himmel auf und singen das Lied Moses und des Lammes. Der Apostel Johannes wusste sofort, was das bedeutet. Das Lied des Lammes finden wir in 2. Mose 15. Es handelt sich dabei um das Lied, das die Israeliten nach dem Essen des Passahlammes und dem Auszug aus Ägypten gesungen haben, beim Durchzug durch das Meer. Das Lied Moses steht in 5. Mose 32,4: «Der Fels: Vollkommen ist sein Tun, denn alle seine Werke sind recht. Ein Gott der Treue und sonder Trug, gerecht und gerade ist er!» Darum singen die Überwinder im Himmel: «Gross und wunderbar sind deine Werke, Herr, Gott, Allmächtiger! gerecht und wahrhaftig deine Wege, o König der Nationen!» Dieses Lied Moses erklang zur Zeit des Zweiten Tempels jeweils anlässlich der Darbringung des abendlichen Sabbatopfers, während das Lied des Lammes beim zusätzlichen Sabbatopfer am Morgen gesungen wurde. So steht es im Babylonischen Talmud, Traktat Rosch Haschanah 31a. Johannes verstand sofort: Im Himmel ist Sabbat oder Sabbatruhe. Das sollte uns nicht überraschen, denn wir lesen in Hebräer 4,9: «Also bleibt noch eine Sabbatruhe dem Volke Gottes übrig.» Die Überwinder sind eingegangen in die himmlische Ruhe! Was aber ist Ruhe im Himmel? Es wird keine Passivität sein, sondern die Ruhe vom Druck der Versuchung und der Verführung. Auch die Überwinder sind nicht passiv, sondern sie spielen Harfe. Im Alten Testament gibt es übrigens zwei verschiedene Typen dieses Instruments. Der eine heisst auf Hebräisch nevel, der andere kinnor. Das Neue Testament kennt nur eine Bezeichnung, und zwar das griechische Wort kithara, von dem sich auch der Begriff «Gitarre» ableitet. Diese Leute im Himmel werden Harfe spielen und singen. Wir können daraus schliessen, dass es im Himmel keine Passivität gibt, sondern Aktivität, die aber in der Ruhe Gottes stattfindet.

Warum sieht Johannes diese Sänger beim gläsernen Meer? Das Wasser dient den Priestern zur Reinigung von Händen und Füssen. In Epheser 5,25 wird uns erklärt, dass das Wort Gottes wie das Wasser eine reinigende Wirkung hat. Da alle Gläubigen auch Priester sind, müssen sie sich tagtäglich durchs Lesen der Bibel reinigen lassen. Wenn man das Waschbecken und somit im übertragenen Sinne die Bibel ansieht, dann ist sie wie ein Spiegel, denn sie zeigt uns alles auf, was nicht recht ist in unserem Leben (Jak 1,23-25). Darum sind Bibelleser im Allgemeinen mutige Leute, denn sie sind bereit, in diesen Spiegel des Wortes Gottes zu schauen. Wenn uns bewusst wird, dass etwas in unserem Leben nicht in Ordnung ist, soll diese Erkenntnis immer wieder zum Selbstgericht führen: «Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit» (1.Joh 1,9). Dieses Selbstgericht müssen wir immer wieder anwenden (vgl. 1.Kor 11,28-31), so wie die Priester sich im Alten Bund regelmässig Hände und Füsse reinigten. Die Hände sprechen von dem, was wir tun, die Füsse von dem, wohin wir gehen. Wenn wir in diesem täglichen Selbstgericht leben und nicht zulassen, dass sich in unserem Leben Unrecht anhäuft, kann uns das davor bewahren, in schwere Sünde zu fallen. Wir alle haben eine verdorbene Natur und sind zu jeder Sünde fähig. Bewahrt bleiben können wir, indem wir täglich die Dinge, die uns als Sünde bewusst werden, sofort vor Gott ordnen. Schwere Sünde ist in der Regel das Ergebnis eines langen Weges, und dazu sollte es erst gar nicht kommen. Wir wollen uns jedoch fragen: Wie werden die Überwinder am gläsernen Meer den Druck der Verführung bewältigt haben? Das ist ganz einfach, denn diese Leute werden sich täglich dem Selbstgericht aussetzen. Bemerkenswert ist auch, dass sich in ihrem Lied keine Bitterkeit findet, trotz der Drangsale, die sie durchmachen werden. So etwas ist nur möglich durch die lebendige Gemeinschaft mit dem Herrn im Alltag. Vom gläsernen Meer können wir deshalb auch etwas Praktisches für unser Leben als Christen lernen: Wenn wir Überwinder sein wollen, muss unser Leben täglich neu im Licht der Bibel geordnet werden.

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